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Gedichte von Walter Freudmann (II.)

Künftige Heimkehr

Und wenn du deinen Vater nicht mehr findest,
der lange Jahre sehnend dein gedacht,
dem weiß geworden das schon schüttre Haar
in all den Jahren der Gefangenschaft.

Wenn du den Vater kannst nicht mehr umarmen,
nicht küssen kannst, nicht drücken seine Hand,
nicht sehen wirst das Leuchten seiner Augen
von Wiedersehensfreude aufgerührt.

Wenn ferne nur ein grüner Rasenhügel
auf einem Friedhof draußen vor der Stadt
dir von den Teuren, Stummen letzte Kunde gibt,
wirst du verharrn im Schweigen tränenlos.

Und in der Brust der Schmerz
wird stumm sein, kalt und hart.

22. Jänner 1941


Mein Vater

Zum Abschied ging mein Vater nicht mit mir zur Tür.
Sein letztes Wort an mich war schwer und voller Last.
Ihn hatte ich tagsüber nie im Bett gesehn,
ging selbst mit Fieber immer seiner Arbeit nach.

Und so ist jener Tag der einzige, den ich erinnre,
an dem mein Vater krank lag ohne aufzustehn.
Ich sagte ihm Lebwohl und küsste ihm das Antlitz.
Die Worte kamen zögernd und sein Blick schweifte zur Decke.

Die Hände waren weggestreckt und fassten nicht die meinen.
Er sprach von all dem nichts, das ihn bedrückte.
Zum Abschied sagte ich zu ihm, er sei der beste Vater.
und mehr zu sagen, fand ich Worte nicht.

Sein Sohn ging ihm davon in ungewisse Ferne,
in Kampf und Krieg und seiner Heimkehr ungewiss.
Der Vater war ein Mensch der alten Art, fromm, gläubig wie sein Vater
und Jahre andren Denkens hatten schroff uns von einand getrennt.

Geblieben aber war mir seine Lieb und Treue.
Und als ich zu ihm sagte, ich verließe nun das Land,
um in den Kampf zu gehn für Zukunft und für Freiheit,
da sagte er nicht nein. Zu halten mich versucht er nicht.

Und tief in seinem Innern mocht vielleicht er damals meinen,
dass diese Welt, für die zu kämpfen ich ihn nun verließ,
dass diese neue Welt nicht schlechter würde sein, als jene,
an der er gläubigen verschlossnen Herzens immer hing.

22. September 1941


Nur ein Stein

Doch als der Tag der Heimkehr kam
der lang ersehnte Tag,
da kündete kein Grab,
kein Rasenstück
den unbekannten Ort,
wo namenlos nach jahrelanger Qual
gewaltsam wurden sie
dem Tode überstellt.

Einen Gedenkstein nur
auf einem leeren Grab
konnt man errichten,
der stumm gemahnt nun
mit golden kalten Lettern
des Leides und des Lebens
der Eltern die man dir
gemordet hat.

April 1946


Published inLyrikZwischenwelt International