Skip to content

Zur gegenwärtigen Situation

Von Konstantin Kaiser

Über das, was sich jetzt abspielt, kann man einiges erfahren aus Günther Anders’ „Die molussische Katakombe“, herausgegeben von Gerhard Oberschlick (München 2012).
Da heißt es auf Seite 149 (angesichts der Machteinsetzung Hitlers durch den Reichspräsidenten Hindenburg am 30. Jänner 1933):

„Alle zu vertrauensseligen Liebhaber der demokratischen Prinzipien waren genauso erstaunt wie Du. Dass Burru und die Magnaten, die Todfeinde des demokratischen Prinzips, durch pedantische und unanfechtbare Befolgung der demokratischen Prinzipien die Herrschaft an sich reißen konnten, erschien den meisten Demokraten, sofern sie nicht die undemokratischen Folgen ihrer demokratischen Grundsätze begrüßten, als ein vollständiges Wunder. Da die Burristen aber prinzipientreu waren, wagten sie nicht, gegen die Folgen dessen aufzubegehren, was sie selbst verteidigt hatten. Ihre Grundsätze hielten sie für wichtiger als deren Folgen. Und die Folgen hielten sie für ungefährlich, weil sie ja eingetreten waren auf Grund von lange geliebten Prinzipien.“

Obwohl Trump vielleicht ein Verehrer Adolf Hitlers sein mag, ist er doch kein Hitler, sondern ganz er selbst. Wir aber denken auch an die Bestellung des rechtsextremen Politikers Dr. Walter Rosenkranz zum für die ganze Gesetzgebungsperiode praktisch unabwählbaren Präsidenten des Österreichischen Nationalrats. Man hielte sich an ein demokratisches Gewohnheitsprinzip, dachte man wohl in den Reihen der Unbeugsamen beim Einnicken, und dürfe daher erwarten, dass sich auch die Rechtsextremen en revanche an die demokratischen Regeln halten würden. Denn was wir im demokratischen Sinne auf die Wege gebracht haben, kann ja keine undemokratischen Folgen haben.

Diese Erwartung war schon am nächsten Tag widerlegt, als der neue Nationalratspräsident den ungarischen Staatspräsidenten Victor Orbán in das Hohe Haus faktisch zu einem Staatsbesuch einlud und damit Außenpolitik betrieb, ohne den Außenminister auch nur zu informieren. Ein Vorgeschmack auf künftige Amtsanmaßung zur Etablierung einer Europa feindlichen Internationale der Autokraten und Despoten und derer, die es gerne noch werden würden.

6. November 2024

Published inAktuellesZwischenwelt im Exil