September 2023. Niederösterreichische Landeshymne
Eine von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner eingesetzte Historikerkommision unter der Leitung von Prof. Stefan Karner findet den Text der niederösterreichischen Landeshymne „unbedenklich“. Der Text sei weder fremdenfeindlich noch antisemitisch. Es bedürfe keines neuen Textes. Die Qualität eines Textes an dem zu ermessen, was er nicht ist, ist ein origineller neuer Ansatz. „Problematisch“, meint die Kommission, sei bloß der Verfasser der Hymne: Franz Karl Ginzkey. An diesem ‚Problematischen‘ scheiterte 1988 in der Gemeinde Seewalchen am Atterssee, wo Ginzkey seinen ständigen Wohnsitz hatte, der Versuch, eine Schule nach ihm zu benennen. Die Benennung wurde nach Protesten vom Gemeinderat gegen die Stimmen von ÖVP und FPÖ abgeblasen. Die lokale SPÖ bemühte sich jedoch zu versichern, daß Ginzkey „sicher kein Kriegsverbrecher oder Antisemit“ gewesen sei. Es ist, als ob sich alles in unserer versunkenen Welt im Abstand von Vierteljahrhunderten immerzu wiederholt, ohne daß je Klarheit geschaffen wird.
In Seewalchen ist nach wie vor eine Straße nach Ginzkey benannt und ein Denkmal für ihn aufgestellt. Am Wiener Zentralfriedhof ist ihm ein Ehrengrab gewidmet.
Beschönigend war der frühere Wikipedia-Eintrag über ihn, in dem verlautet wurde: „Er arrangierte sich nach 1938 mit den Machthabern des Nationalsozialismus …“ (Zugriff 27.3.2015). Immerhin schloß er sich nach seinem Austritt aus dem P.E.N.-Club 1933 im November 1936 dem „Bund der Deutschen Schriftsteller in Österreich“ an und bekannte im „Salzburger Volksblatt“ vom 15.4.1938, S. 5, er habe sich 1934-38 nur deshalb für den „Staatsrat“ des sogenannten Ständestaates gewinnen lassen, um in reichsdeutschem („nationalem“) Interesse „manches verhindern und manches auch wieder gut machen“ zu können. Und resümiert: „In diesem Sinne betätigte ich mich die ganze Zeit hindurch …“
Da Ginzkey von 1919 bis 1931 Mitglied einer Freimaurerloge war, wurde seinem Antrag auf Aufnahme in die NSDAP 1941 nur durch „Gnadenentscheid“ Adolf Hitlers stattgegeben.
Vergleiche. die Glosse Konstantin Kaisers: Franz Karl Ginzkey. In: Mit der Ziehharmonika (Wien), Nr. 2/1989, 1f. Nachlesbar auch in ZW Nr.1-2/2023.
Vergleiche auch: Reinhold Hangler, Christian Hawle, Hartmuth Kilgus, Gerhard Kriechbaum: Der Fall Franz Karl Ginzkey und Seewalchen. Eine Dokumentation. Vöcklabruck 1989.
Ob die Verfasser dieser Dokumentation zur „Historikerkommission“ zugezogen worden sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Ihr entschiedener Protest hatte 1988 wenigstens zur Folge, dass die Schulbenennung nach dem Nazi Ginzkey unterblieb.
Da die Landeshymne nichts Beanstandbares aufweist, nicht zur Diskriminierung von Fremden und nicht zum Mord an Juden aufruft, wogegen der uns bekannte Verfasser als Befürworter des „Anschlusses“ und Parteigänger der Nationalsozialisten seinerzeit vielleicht gar nichts einzuwenden gehabt hätte, bleibt das „Problematische“ allein für sich allein.
Lassen Sie mich daher einen Vorschlag unterbreiten. Da der Verfasser der Landeshymne offenbar ein ganz anderer Ginzkey ist als der uns bekannte, der sich in „diesem Sinne betätigte … die ganze Zeit hindurch“, also ein uns unbekannter Ginzkey, wäre es doch am besten, unter den Text der Hymne in Zukunft einfach zu schreiben: Verfasser unbekannt.