An den Präsidenten der Bundesrepublik Österreich
Die Auszeichnung von Currentzis ist ein Signal nicht für die Freiheit, sondern gegen sie
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Die Letztentscheidung im Fall Teodor Currentzis liegt bei Ihnen.
Bitte verzichten Sie auf diese Auszeichnung.
Sie signalisiert Unterwerfung.
Wie schon bei der Abweisung aller Kritik an Peter Handkes Nominierung für den Literaturnobelpreis ist man eifrig dabei, die Kritik an der Verleihung des österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst als eine prinzipielle Frage hinzustellen, als eine Frage der zu respektierenden Freiheit der Kunst, der Meinungsfreiheit oder gar der Entscheidungssouveränität der unabhängigen Jury, der “Kurie”.
Doch es geht nicht um das Prinzip künstlerischer Freiheit oder Autonomie, es geht darum, dass sich Currentzis nie gegen den verbrecherischen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine ausgesprochen hat. Dass er vielmehr die schizofaschistische Hetze gegen die Ukraine unterstützt hat durch die von ihm dirigierte Instrumentalisierung von Dimitri Schostakowitschs 13. Symphonie im September 2023 und dass die Ehrung eines Putin-Getreuen eine Normalität des Kulturbetriebs vorspiegelt, die nicht gegeben ist in den Rauchschwaden eines Vernichtungskrieges in Europa.
Man kann wie im Falle Handke beteuern, dass all das Politisch-Moralische im Urteil über Kunst und Literatur ausgeschlossen bleiben müsse, doch wovon handelt dann die Kunst jenseits von dem, was menschliche Brust durchwühlt, betreibt sie dann nur mehr den Sachzwang zur ästhetischen Qualität, zur Perfektion, zur formalen Vollendung einer kalten Schönheit?
Nein, die Auszeichnung Currentzis ist ein Signal nicht für die Freiheit, sondern gegen eine Freiheit der Kunst, die genutzt wird gegen den Zugriff totalitärer Herrschaft.
Currentzis Auszeichnung signalisiert Unterwerfung, und die prinzipielle Frage ist einzig die, ob man als Künstler schweigen darf, um von allen Seiten weiter Vorteile und Lobpreis zu genießen, oder dieses Schweigen nicht die Kunst kompromittiert, auf deren Freiheit man sich beruft.
Dass ein “Schweiger” hinfür einer österreichischen Kurie angehören soll, der einen Geheimvertrag mit der Gegenwart des gewaltsamen russischen Hegemoniestrebens hat, ist ein kulturpolitisches Problem für Österreich und wird dem Ansehen Österreichs nicht nützen.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident: Die Letztentscheidung liegt bei Ihnen.
Wir zählen auf Sie.
Konstantin Kaiser
Exilforscher, Philosoph, Schriftsteller
Herausgeber von Zwischenwelt International
Magazin für Kultur des Widerstands, des Exils und der Aufklärung
www.zwischenwelt.net
Hinweise:
Aufsatz der Musikwissenschaftlerin Antonina Klokowa: Umwertung und Vereinnahmung. Russland: Kunstmusik im Dienste des Staates. In: Osteuropa (Berlin), 74. Jg. Heft 5/2024, 167-185.
