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Die dunkle Seite des Volksstimmefests

Von Dietmar Pichler

Es gibt zwei Arten von Besucherinnen und Besuchern des Volksstimmefests. Die einen gehen dort hin, um “gmiatliche”, “alternative” und “Altfreaks” zu treffen, alte Bekannte, Freunde und Feinde der Jugend. Man trinkt, isst, hört den Konzerten zu und hofft darauf, dass der Regen nicht schlimmer wird. Dann gibt es aber noch eine andere hochpolitisierte Szene am Volksstimmefest und darüber sollte man auch sprechen. Man muss dazusagen, bei aller Kritik an der KPÖ, viele der extremen Dinge, die man am politischen Teil des Volksstimmefests beobachten kann, gehen nicht auf die KPÖ selbst zurück, sondern auf linke “Orgas” (Organisationen) und Parteien, mit denen die KPÖ eigentlich im Wettbewerb steht. Die KPÖ selbst hat sich schon lange vom Stalinismus distanziert, was allerdings nicht auf andere Teile der links-außen Szene zutrifft. Zum Beispiel hatte der Stand mit den Georgsbändern (ein russisches Militärsymbol), der die russische Propagandanarrative zum Donbas verbreitete, nichts direkt mit der KPÖ zu tun. Auch dass ein weit rechts stehender pro-russischer Aktivist mit “Neurussland” (Novorossija) Flagge beim Volksstimmefest aufgetaucht ist, kann man nicht direkt der KPÖ ankreiden. Allerdings zeigt es, wie offen die prorussische Szene in alle Richtungen blickt, wenn es nur im Sinne des Kremls ist.

Politisches Volksstimmefest 2025
Viel Schatten, wenig Licht

“Frieden schaffen ohne Waffen”, hat der erste Stand, der mir in meiner natürlich selektiven Wahrnehmung ins Auge sticht, vor sich aufgehängt. In dem Zelt sitzt Peter Kolba, der auf X Postings unter anderem vom Bündnis Wagenknecht, von einem RT Redakteur, aber auch einem “Peace Rebell”, der Medvedev für seine jüngsten Äußerungen zu Österreich “dankbar” ist, teilt. Bei Kolba ist die Einordnung eigentlich nicht mehr notwendig, weil er sich recht klar positioniert, trotzdem setzt er dann noch einen drauf, wenn er zum Beispiel postet: “Ich muss hier Kickl Recht geben. Meinl-Reisinger heizt den Konflikt mit Russland unnötig an, statt zu beruhigen.” Da Kolba mich seit Jahren auf X (vormals Twitter) geblockt hat, gehe ich davon aus, dass er auch hier nicht für ein Gespräch zu haben ist, es wäre wohl auch nicht weniger sinnlos als im Cyberraum.

Überrascht stelle ich fest, dass es einen Stand oppositioneller Russinnen gibt, die Informationsmaterial aufgelegt haben, sogar, wie ich später erfahre, eine kleine Ausstellung über Kreml-Verbindungen des rechten Randes, österreichische Geheimdienstskandale mit Moskau-Bezug und russische Kriegsverbrechen in der Ukraine.

Ich frage eine Vertreterin der Gruppe, ob es ihnen bewusst ist, dass hier viele Aussteller nicht ihr Weltbild teilen. Sie erzählt mir, dass sie eine linke, ukrainesolidarische Gruppe, auch im Sinne des Selbstverteidigungsrechts sind und ganz bewusst hier sind, weil sie wissen, dass viele kein Wissen über Russland haben bzw. der russischen Propaganda folgen. Es trifft sie hart, dass es (Zitat) keine Unterstützung von den westlichen Linken gibt.

Sie ist über die Sowjet-Nostalgie, die Stalin-Materialien und die oftmaligen russischen Propagandanarrative, die man am Volksstimmefest finden kann, schockiert. Gerade als ich das Gespräch mit ihr begonnen habe, kann ich mit einem Ohr noch hören, wie ein älterer Herr ihrer Kollegin etwas von der “NATO-Einkreisung Russlands” erzählt. Es wird nicht der einzige bleiben, der sie davon überzeugen will, dass “Putin recht hat” und die Sowjetunion fein war, erzählt eine der Aktivistinnen.

Direkt neben den oppositionellen Russinnen befindet sich der Stand des Österreichischen Friedensrats. Es lohnt sich, einen Blick in die Geschichte des österreichischen wie auch internationalen Friedensrats (World Peace Council) zu werfen und welche Verbindungen bzw. Narrative da bereits im Kalten Krieg auf der Tagesordnung standen.

Ich sehe, dass auch die Solidarwerkstatt und die BDS Bewegung vertreten sind. Der hochumstrittenen BDS Bewegung wird immer wieder Antisemitismus vorgeworfen, 2020 wurde sie vom österreichischen Parlament verurteilt. Die Solidarwerkstatt ist bereits seit Jahren für “ganz spezielle Publikationen” zum Thema Ukraine und Weltpolitik generell aktiv.

Apropos Publikationen, da tun sich ohne Frage auch ohne verbale Nachfrage richtige Abgründe auf. So ist zum Beispiel in einem Zelt, vor dem ein Transparent “Nein zu Krieg der Hauptfeind steht im eigenen Land” hängt, und drinnen dann die Stalinbücher, nicht wenige… ist für mich am Volksstimmefest aber nicht neu.

Auf dem Stand einer linksradikalen Zeitung zeigt eine Schlagzeile zu China: “nicht imperialistisch, nicht kapitalistisch”. Die Diskussion mit der Dame vor Ort verläuft im Sand… es wird nicht der letzte erfolglose Versuch sein, Autokratien einzuordnen.

Dann folgt ein schon stereotypes Highlight: Ein Transparent mit einer Friedenstaube, “Drushba” (Russisch Freundschaft) beschrieben, eine Matroschka Puppe und daneben Hammer und Sichel.

“Friedens attac” und die ABFANG, beide verbreiten aus meiner Sicht höchst problematische Narrative, sind ebenfalls mit Transparenten präsent. Wer mehr über ABFANG erfahren will, kann sich dies anschauen, auf der Website hier zum Beispiel Jeffrey Sachs “wahre Geschichte des Krieges in der Ukraine”: abfang.org

Sachs trat bereits mehrfach beim schlimmen russischen Kriegshetzer Solovyov im Staatsfernsehen und bei RT auf, wo er auch die einschlägigen, erwartbaren Narrative verbreitet.

Ich schreite weiter und starte eine Diskussion mit einer älteren Dame aus Deutschland, angereist von der Linkspartei. Sie erzählt, dass sie in der Sowjetunion und dann (2014) in Russland war. Es hat ihr dort gefallen, die sehen die Dinge eben anders. Als ich sie nach dem russischen Imperialismus frage, der da vielleicht aus diesen Personen gesprochen hat, meinte sie nur: Europa ist viel imperialistischer als Russland.

Den Abgang Wagenknechts bedauert sie, das hätte man anders lösen können.

Mein letztes Gespräch ist mit KPÖ-Vertretern. Da höre ich aber auch Töne, die erschrecken, wenn auch nicht überraschen: Die Ukraine sei schon mitschuldig, weil sie in die NATO wollte. Ein anderer meinte, die russische Sprache wurde eingeschränkt, worauf ein unbekannter Herr sich einmischt: Was heißt eingeschränkt, verboten! Ich entgegne: Nein, sie ist nicht verboten, das stimmt einfach nicht. Eine Frau fordert mich auf, mich “nicht aufzuregen”. Es ist natürlich nicht einfach, zu Wort zu kommen, wenn es drei gegen eins steht. Der gleiche Herr, der behauptete, dass Russisch verboten wäre, meinte paradoxerweise gleichzeitig: “Ukrainisch, gibt’s das überhaupt?” Der unbekannte Herr sagte, dass er zu Sowjet-Zeiten in der Ukraine war und dort die Ukraine erst ihre Staatlichkeit bekommen hätte. Meinen Hinweis auf die unabhängige Ukraine 1917–1921 wollte er nicht gelten lassen. Da ich die Falschaussage, dass Russisch verboten wäre, aufklären wollte, zeigte ich ein Bild von einem ukrainischen Nasenspray, beschriftet auf Ukrainisch und Russisch. Die Frau bei dem KPÖ Stand meinte darauf: “Was haben wir mit Medikamenten zu tun?” Ich wies darauf hin, dass ich auch in den ukrainischen Medien auf Russisch, manchmal sogar ausschließlich auf Russisch übersetzt wurde, um die Idee von dem angeblichen Sprachverbot zu widerlegen. Darauf sagte ein Herr zu mir: “die ukrainischen Medien sind halt nicht wirklich eine Quelle.” So kann sich eine Diskussion im Kreis drehen… interessanterweise wurde von einem KPÖ-Vertreter dann mir vorgeworfen, in etwa zitiert: “man sieht halt immer die Dinge, die einem nicht recht sind als Propaganda”. Ich konnte es nicht glauben, wie diese Diskussion verlaufen ist, und gebe auf.

Mein persönliches Fazit zu diesem Besuch am politischen Volksstimmefest: Immer wieder wurde der russische Imperialismus nach meinem Hinweis entweder relativiert oder gar geleugnet. Ich habe seit 2014 viele Veranstaltungen besucht, viel recherchiert und Gespräche geführt, auch dort, wo ideologische Abgründe zu vermuten wären, aber dieser Tag zeigte leider mehr Schatten als Licht. Tatsächlich gab es aber auch einzelne andere Meinungen. “Ich bin ja nicht für Aufrüstung, aber was soll die Alternative sein”, sie und ihre Kollegin stimmten auch zu, dass keinen Widerstand leisten keine Lösung gegen einen imperialistischen Nachbarn ist und dass unter Besatzung das Töten kein Ende nimmt. Eine fast 80-jährige Dame kritisierte das Geschichtsverständnis der KPÖ und die Zeit des Realsozialismus. Die vernünftigen Stimmen scheinen im Rückblick alles Frauen gewesen zu sein, vielleicht ein Anfang.

Kritische Rezeption in den Medien bleibt aus

Die Junge Welt findet nur lobende Worte, was eher gegen das Volksstimmefest als gegen die Junge Welt spricht, bedenkt man, welche Narrative und welche Blattlinie diese Zeitung verfolgt, insbesondere wenn es um Russland geht. Die kubanische Botschaft in Wien berichtet jedoch begeistert auf ihrer X/Twitter-Seite vom Volksstimmefest. Auch die Botschaft Venezuelas hat Beiträge dazu veröffentlicht. Auf einem Foto sieht man sogar ein Porträt von Chávez. Zudem wurde der unter Chávez gegründete Sender Telesur markiert. Eines ist klar: Geopolitisch geht es beim Volksstimmefest um weit mehr als nur um leistbares Wohnen.

Milan Krajča, Vertreter der Kommunistischen Partei Tschechiens, teilt auch auf X und Facebook Bilder vom Volksstimmefest, unter anderem ein Foto mit der Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr. Der offizielle europäische “European Left” Kanal teilt ein Foto einer Diskussionsrunde, bei der Krajča einer der Panelisten ist. Auf seinem X-Kanal teilt er auch ältere Fotos mit chinesischen Diplomaten, zum Beispiel, wie er zum Jahrestag der Chinesischen Volksbefreiungsarmee dem chinesischen Militärattaché gratuliert.

Dietmar Pichler ist Begründer des Disinfo Resilience Network Vienna und Vizepräsident von Vienna goes Europe

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