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Gedenk- und Siegesfeiern im Mai 2025

Von Redaktion

Achtzig Jahre seit Ende des 2. Weltkriegs und in Europa wird gefeiert. In ganz Europa? In einer Zeit, in der der politische Charakter der Europäischen Union und daraus erwachsende Aufgaben und Verpflichtungen immer mehr in den Mittelpunkt drängen, eine Frage, der wir uns langsam stellen sollten.

Wie die Fragestellung bereits andeutet: Nein, nicht ganz Europa hatte im Mai 1945 Grund zu feiern und selbst in etlichen Gebieten Europas, in denen damals zu Recht gefeiert wurde, verkehrte die Feierstimmung sich ziemlich bald ihr Gegenteil. Rein sachlich betrachtet, brachte das Ende des 2. Weltkrieges, der Sieg der Alliierten über das Deutsche Reich, die Zementierung der zwischen Ribbentrop und Molotow paktierten Teilung Europas – für nicht weniger als viereinhalb Jahrzehnte. Die Sowjetunion hat jedes Zipfelchen Land, das sie sich im Komplott mit dem Hitlerregime zugeteilt hatte, behalten – und konnte in weiterer Folge ihren europäischen Herrschaftsbereich sogar noch bedeutend ausweiten.

So verblieben sämtliche Eroberungen Stalins, wie die drei baltischen Staaten, ein großer Teil Polens, ein Teil von Belarus, ein Teil Rumäniens und ein Teil Finnlands vereinbarungsgemäß beim russischen Reich. Unter sowjetische Hegemonie fielen Ungarn und die Tschechoslowakei ebenso wie die zur DDR ausgerufene sowjetische Besatzungszone Deutschlands, aus der wieder abzuziehen das russische Regime nicht gewillt war, und auch Polen, Rumänien und Bulgarien verblieben hinter dem Eisernen Vorhang.

So gesehen ist die Frage der Feierwürdigkeit des Kriegsendes relativ einfach beantwortet: Östlich des Eisernen Vorhangs brachte das Kriegsende 1945 das Ende der Besatzung und Versklavung durchs Deutsche Reich und ging nahezu nahtlos über in Besatzung und Versklavung durchs großrussische Reich.

Wenn wir heute in Österreich den Jahrestag der Befreiung feiern, dann sollten wir uns dessen bewusst sein. Denn natürlich kam, wie obige Beispiele zeigen, die Sowjetarmee nicht als Befreiungsarmee in unser Land. Gerade so gut hätte ja die Deutsche Wehrmacht, die bekanntlich gegenteilige Ziele verfolgte, 1941 als Befreiungsarmee der Ukraine gesehen werden können. 

Sie halfen, Österreich zu befreien, aber sie kamen nicht als Befreier: Denkmal der Roten Armee am Wiener Schwarzenbergplatz (Foto: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Stefan_Fadinger)
Sie halfen, Österreich zu befreien, aber sie kamen nicht als Befreier: Denkmal der Roten Armee am Wiener Schwarzenbergplatz (Foto: Wikipedia, Stefan Fadinger)

Dass Österreich endgültig von Diktatur und Unrechtsregime befreit wurde und am Ende auch seine staatliche Souveränität wiedererlangen konnte, verdanken wir in erster Linie dem Umstand, dass gut zwei Drittel unseres Landes durch die Westalliierten besetzt waren – und dass die Truppen der Westalliierten nicht eher bereit waren, unser Land zu verlassen, als die Sowjetunion ebenfalls eingewilligt hatte, ihre Truppen abzuziehen.

Aber nicht nur bei uns wird gefeiert. Eine große Feier findet morgen, am 9. Mai, in Moskau statt, und der Charakter dieser Feier bildet sich in der Liste der internationalen Festgäste ab. Es gibt auf dieser Welt wohl keine Diktatur, kein Mörderregime, das es verabsäumt hätte, Staatsführer, ihre Abkömmlichkeit vorausgesetzt, zu dieser Siegesparade zu entsenden. Die somit sich präsentierende internationale Schurkenliste wird komplettiert durch Staatsführer, die offenbar die Ambition haben, dieser Liste noch hinzugefügt zu werden, oder deren Staaten zumindest in die inzwischen wieder beträchtlich anwachsende russische Einflusssphäre geschlittert sind.

In Moskau wird selbstverständlich nicht, wie im freien Europa, die Befreiung von Diktatur und Unrechtsregime gefeiert, denn eine solche hat ja dort 1945 keineswegs stattgefunden. Was gefeiert wird, ist der glorreiche Sieg über den untreuen Verbündeten Hitlerdeutschland, dessen Aggressionskrieg in Westeuropa vom Sowjetregime fast zwei Jahre lange getreulich mitgetragen wurde. Kein Zufall, dass es in der russischen Geschichtsschreibung den 2. Weltkrieg, wie er im September 1939 gemeinsam mit Hitlerdeutschland begonnen wurde, gar nicht gibt. Russlands großer Krieg, “Großer vaterländischer Krieg” genannt, begann ja tatsächlich erst im Juni 1941, mit dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion.

Zum vierten Mal in Folge findet diese Moskauer Siegesfeier allerdings statt, ohne dass jener Sieg gefeiert werden kann, zu dessen Erringung Putin und seine Armeeführer 2022 gerade mal ein paar Tage, maximal Wochen, angesetzt hatten. Es ist Russland, trotz dieses seit 1945 größten grausamen Aggressionskriegs auf europäischem Boden, nicht gelungen, sein erklärtes Kriegsziel zu erreichen, das in der Auslöschung und Wiedereinverleibung der souveränen Ukraine besteht.

Wenn also heute unsere “Fest der Freude” genannten Gedenkfeierlichkeiten über die Bühne gehen, sollte eigentlich der Aspekt im Mittelpunkt stehen, dass 80 Jahre nach dem feierlichen Anlass gar nicht so weit entfernt von uns, einem Volk ein gnadenloser Krieg zur Verteidigung von Freiheit und Souveränität aufgezwungen ist, von dessen Erfolg letztlich auch für uns all das abhängt, was wir 1945 erlangt zu haben, heute feiern.

Published inAktuellesZwischenwelt International
Konstantin Kaisers Blog
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