Einer Mitteilung ihres in Wien lebenden Bruders Mahmud Karbalai Bagher vom 24. August 2024 zufolge, ist die bedeutende persische Exillyrikerin im Iran verstorben. Wir werden noch erfahren, wann, wo und woran.
Nahid fand schon in ihrer Jugend in Teheran Kontakt zu jener Generation persischer DichterInnen und AutorInnen, die in der Zeit der vom Schah-Regime initiierten Reformen der „Weißen Revolution“ zur Geltung gelangte und die moderne persische Dichtung mitbegründete. Besonders den Geschwistern Pouran, Fereydoun und Forough Farokhzad blieb sie zeitlebens freundschaftlich und geistig verbunden. Fereydoun war ihr literarischer Mentor und ermöglichte ihren ersten, 1980 in Teheran erschienenen Gedichtband „Kantate der Liebe“. Diese Generation weltoffener fortschrittlicher Intellektueller und AutorInnen wurde von der Islamischen Revolution ab 1979 vernichtet oder ins Exil getrieben. Seit 1979 notgedrungen in Wien, bewahrte Nahid deren Erbe und wagte sich in ihrer kraftvollen Lyrik unverzagt gegen all das Unrecht, das durch die Herrschaft der Mullahs den iranischen Frauen und Mädchen angetan wurde. Nicht einschüchtern konnte sie die Ermordung ihres Mentors Fereydoun Farokhzad 1992 in Bonn. In Wien gründete sie „Marzpeyma“ (Grenzgänger), einen Iranischen Kunst- und Kulturverein im Exil, stellte eine Anthologie oppositioneller und dissidenter persischer DichterInnen in ihren deutschen Übersetzungen zusammen. Die meisten dieser AutorInnen leben und lebten gleich Nahid im Exil. Umgekehrt bedankte sie sich bei Österreich für die gebotene Zuflucht durch eine Anthologie österreichischer AutorInnen der Gegenwart, von ihr übersetzt in persischer Sprache. Meine Freundschaft mit Nahid begann 2002 mit dem Projekt einer deutschen Ausgabe ihres Jugendromans Chawar, der dann 2009 in der Reihe „anders erinnern“ erschien. An den deutschen Fassungen ihrer Gedichte, die zuletzt in dem Band „Auf welcher Erdenseite stehst du?“ erschienen, wirkte ich sozusagen als poetischer Assistent in vielen abendlichen Sitzungen mit. Nahid ihrerseits bedankte sich mit von ihr zubereiteten persisch gewürzten Gerichten, die mich die Berberitzen meiner Tiroler Kindheit, die mir entschwunden waren, wiederentdecken ließen. 2017 konnte ich erreichen, dass Nahid Bagheri-Goldschmied gemeinsam mit Renate Welsh-Rabady der Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil verliehen wurde. Dieser Preis schien und scheint wie für Nahid erfunden. In meiner Lobrede auf Nahid versuchte ich das Besondere ihrer großen Poesie in Worte zu fassen. Die Rede ist dieser Notiz beigefügt. Nahid übersetzte auch einige meiner Gedichte ins Persische, so das den LeserInnen dieser Homepage bekannte „Wunschgedicht“, das Gedicht über die großen Bäume und das Gedicht über die Bitterkeit von Erde. Zuletzt lasen Nahid und ich im Dezember 2023 diese Gedichte auf Persisch und Deutsch in den Räumen des PEN-Clubs in Wien.
Zu den Ereignissen der Zeit nahm Nahid immer klar und kämpferisch Stellung. Über ihre im Iran für sie nicht ungefährliche Solidarität mit dem Staat Israel wird noch bei anderer Gelegenheit zu reden sein. Noch in diesem Sommer, im Juni 2024, erschien eine neue Sammlung ihrer Gedichte in einem persischen Exilverlag in Norwegen auf Persisch und Englisch. Nahid bleibt für mich in ihrem Nichtbeigeben ein Vorbild.
Konstantin Kaiser, 26. August 2024, Tirol
Nahid Bagheri-Goldschmied verstorben
Published inZwischenwelt im Exil