Epidemie
Es kreischt die Tür in tiefer Nacht,
die Augen brennen heiß.
Sie fallen nicht zum Schlafe zu.
Ich bin so müd und weiß:
Die Ruh, die find ich lange nicht,
hör Kranke rufen, schrein.
Sie zittern, stöhnen, wälzen sich
in qualenvoller Pein.
Mit Wasser ist zu löschen nicht
der Durst, er ist zu groß.
Und ihnen gleichend wälze ich
im Bett mich ruhelos.
Oktober 1940
Der Spitalsgarten
Dies Spital, es sieht so heiter,
rein und hell und frei von Leiden aus.
Die Kranken die man transportiert hat,
starben am Weg schon, hier gibt’s keinen Graus.
Und fröhlich baut man einen Garten
aus Bambusstäben, leicht, dazu.
In einem Tag schon steht er herrlich.
Die Kranken starben – was macht das schon aus?
1940
Warten
Auch hier gibt manchmal es Kanonendonner
und Flugzeugdröhnen hallend in der Luft.
Doch ist’s, als wär dies alles nur zum Scheine.
Und ganz ohne Ereignis gehn die Tage hin.
Krieg ist, Verletzte kommen manchmal
und mancher starb von ihnen im Spital.
Doch auf den Feldern arbeiten die Bauern
und in den Buden halten feil die Händler
was es nur gibt an Waren, wie zu Friedenszeit.
Und auf den schmalen Pfaden gibt es nie Bewegung,
so wie sie geht voraus dem Angriff auf den Feind.
Hier gibt es Kämpfe nicht, nur Warten, Warten.
Voll Ruhe scheint das Leben, voll Besinnlichkeit.
Mai 1940
In einem Dorf, durch das die Japaner gezogen
Nach vielen Stunden, müßig mit dem Boot
legten wir an, den Ort zu sehn,
um Früchte einzukaufen für die Weiterfahrt.
Doch Stille trafen wir nur an und Schweigen,
das keine warme Menschenstimme brach.
Wir sahn den Ort, die breite lange Straße.
Verlassen. Leer. Die Häuser standen
verbrannt bis auf die Wände einsam da.
Und leer zum Himmel ragten bloß die Pfeiler
die vordem noch ein Dach getragen hatten.
Und in das Schweigen dieser toten Wände
drang wie von selbst und ungerufen der Vergleich,
wie diese Häuser hier und diese tote Straße
von Leben voll warn und von Menschentreiben
bevor der fremde Feind kam, alles zu zerstören.
Warm schien die Sonne und ein leichter Windhauch neigte
den schlanken Hals der umstehenden Palmen.
Von Menschenleben aber war nicht eine Spur.
Kein Hundsgebell, kein Hahnenkrähen
und Kinder nicht, der Straße Staub aufwirbelnd
in unbeschwertem ausgelassnem Spiel.
Die Menschen aber, die vor Kurzem hier noch hausten,
sind fort geflohn, versprengt und weggetrieben,
viele gemordet, viele nun in bittrer Not
an fremden Orten und nur in der Sehnsucht noch zuhaus.
Hier gab’s Kanonen nicht und nicht Befestigungen.
Hier gab’s nur Bauern, arm und ohne Waffen.
Doch die Japaner zogen nicht vorbei, sie kehrten ein,
um Brand zu hinterlassen und Vernichtung.
Es war, als redeten zu uns des Dorfs Ruinen.
Als ob sie klagten und als stellten sie die Frage,
wann denn ein Ende würde sein mit den Erobrern
und wann‘s das Land würd wieder sein der friedliche Bewohner.
So wandten wir uns schweigend ab mit leeren Händen.
Versonnen in den schrecklichen Gedanken.
Ans Ufer stiegen schweigend wir hinunter,
wo schon zur Weiterfahrt bereit lag unser Boot.
Bei Liu Tschow*, Provinz Kwangsi**, 6. Juni 1941
* Liuzhou
** Guangxi
Der stille Frieden
Wohl herrscht die Stille hier an diesem Orte.
Krieg tobt hier nicht, Zerstörung unterbleibt.
Keine Kanonen und auch keine Bombenflieger.
Und doch ist diese Stille Friede nicht.
Denn Menschen sterben hier und fallen,
getroffen nicht von eines Feinds Geschoß.
Sie sterben Hungers hier und elendige Seuchen
die bringen kampflos sie hinab ins frühe Grab.
Wohl scheint hier Frieden, wohl ist es kein Kriege
und die Soldaten hier, fern sind sie von der Front.
Sie bauen Straßen hier und Dämme, feste Brücken
Und müssen sterben nicht bedroht durch Feindeshand.
Sie müssen sterben, weil von ihrem Essen
sie können leben nicht, denn es ist nicht genug.
Sie müssen sterben, weil sie niemand wird erretten,
wenn sie sind krank und wenn der sichre Tod sie sucht.
So ist doch Krieg hier, nur ein stiller.
Viel stiller noch, als jeder Frieden ist.
Wo die, die arm sind, lautlos still verrecken,
wo der, der reich ist, immer gut und üppig frisst.
Bei Mongtse*, Provinz Yünnan**, 16. Juni 1942
* Mengzi
** Yunnan
August 1945
(Zum Ende des Krieges im Fernen Osten)
Welt, wie plötzlich so stille
nach dem Lärm und Geschrei des Kriegs.
Welt, wie plötzlich so stille
füllst du mit Ruh das Gemüt.
Armeen marschieren nun nicht mehr.
Zur Schlacht ruft nicht mehr der Tag.
Die Heimat nicht mehr auf dem Felde
verteidigen muss der Soldat.
Der Feind, steht nicht mehr drohend
an der Front, die es nicht mehr gibt.
Die Grenzen der Welt sind gefallen.
Kein Feind mehr im ganzen Gebiet.
Die Herzen schlagen nun ruhiger,
zur Einsicht besinnend gekehrt.
Bedrückende Spannung gewichen.
Die Seele von nichts mehr beschwert.
Nur göttliche, heilige Ruhe
und Schweigen. Das Leben erahnt
das verlorene Glück, das kehrt wieder
und die begehrende Seele erfüllt.
August 1945